Der Begriff BDNF steht für Brain-derived neurotrophic factor, was auf Deutsch mit „Vom Gehirn stammender neurotropher Faktor“ übersetzt werden kann. BDNF zählt zur Gruppe der Neurotrophine. Dies sind körpereigene Signalstoffe, die Verbindungen zwischen Nervenzellen herstellen können. Alle Wirbeltiere weisen ein Vorkommen von BDNF auf. Das Protein ist unter anderem im Bereich des Hippocampus und der Großhirnrinde aktiv.
1. Vorkommen und Produktion
Beim Menschen kommt BDNF sowohl im Serum als auch im Plasma vor, wobei die Konzentration im Serum 100 mal höher ist als im Plasma (2). Der Großteil davon ist an Blutlättchen gebunden, womit auch eine enge Korrelation zwischen Anzahl der Bluttplättchen und BDNF-Konzentration gegeben ist (3). Produktionsorte von zirkulierendem BDNF sind:
- vaksuläre Endothelzellen
- T-Zellen
- B-Zellen
- Monozyten (4)
Auch die Skelettmuskulatur kann BDNF produzieren, laut Matthews et al. (5) kann dieses BDNF jedoch nicht in den Blutkreislauf ausströmen.
2. Funktion
BDNF wirkt sowohl auf Neuronen (Nervenzellen) des zentralen Nervensystems, als auch des peripheren Nervensystems. Es spielt eine wichtige Rolle in folgenden Punkten:
- Schutz existierender Neuronen
- Schutz existierender Synapsen
- Förderung des Wachstums neuer Neuronen
- Förderung des Wachstums neuer Synapsen
- Reguliert die Langzeitpotentierung (Long Term Potentiation) im Hippocampus und ist somit wichtig für das Langzeitgedächtnis
Zusammenfassend kann man sagen: BDNF spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Neuronen und Synapsen und damit in der Entwicklung der neuronalen Plastizität.
3. BDNF und Krankheiten
3.1 BDNF und Depression
In unbehandelten Patienten mit einer Depression konnte verglichen mit einer Kontrollgruppe eine geringere BDNF-Serum-Konzentration festgestellt werden. (6,7,8)
Eine Depression kann zu einer neuronalen Atrophie führen, vor allem in den Bereichen der Amygdala, des linken Hippocampus (wichtig für Lernen und Gedächtnis) und des präfrontalen Cortex. Durch die Ausschüttung neurotropher Wachstumsfaktoren kann eine Neuroneogenese (Neubildung von Neuronen) bewirkt und somit einer Atrophie (u.a. im Bereich des Hippocampus) begegnet werden.
3.2 BDNF und Schizophrenie
Uneinheitliche Forschungsergebnisse zeigen sich im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der BDNF-Konzentration und Schizophrenie.
4. Körperliche Aktivität und BDNF
4.1 Effekt eines einmaligen Trainings auf BDNF
Bereits durch eine 30-minütige Aktivität bei 60% VO2max kommt es zu einem signifikanten Anstieg im Serum-BDNF im Vergleich zum Ruhelevel (9), sowohl bei Gesunden als auch bei Patienten mit multipler Sklerose. Eine 10-minütige Belastung (Radfahren) hingegen reichte nicht aus um die Levels zu erhöhen (10). Ferris et al. (11) konnten aufzeigen, dass die BDNF-Ausschüttung von der Intensität der körperlichen Aktivität abhängt. Durch kurze aber intensive Belastungen (2×3 Minuten maximale Belastung mit 2-minütiger Pause) kann die BDNF-Konzentration ebenso signifikant gesteigert werden (12).
Nicht nur Ausdauertraining, sondern auch einmaliges Krafttraining kann laut Yarrow et al. (13) die Serum-BDNF-Konzentration erhöhen.
4.2 Langfristiges Training und BDNF
Im Hinblick auf langfristige Änderungen der BDNF-Level durch körperliche Aktivität gibt es kontroverse Studienergebnisse, mit Tendenzen in die eine (keine Änderung) als auch in die andere Richtung (erhöhte Ruhelevel).
Obwohl noch mehrere Untersuchungen zu machen sind um klare Ergebnisse aufzuzeigen, so gibt es Hinweise darauf, dass sowohl die VO2max, als auch das Ausmaß körperlicher Aktivität in einem inversen Zusammenhang mit peripheren BDNF-Levels stehen. Das würde heißen, je höher die VO2max bzw. das Ausmaß körperlicher Aktivität ist , desto geringer sind die peripheren BDNF-Levels. Ein möglicher Grund für diesen Zusammenhang könnten die verbesserte Fähigkeit von gut trainierten bzw. aktiven Personen sein, BDNF ins Gehirn aufzunehmen (15).
Die möglichen Effekte einer erhöhten BDNF-Konzentration bzw. Ausschüttung durch körperliche Aktivität (KA) sind:
- Verbesserung der Stimmung nach KA (14)
- Schutz und Regeneration verschiedenster Gewebe
- Beteiligung an der Angioneogenese (Neubildung von Blutgefäßen) des Herzmuskels sowie der Skelettmuskeln
- Unterstützender Effekt bei Gabe von Antidepressiva
- Verbesserung des motorischen Lernens
- Erhöhung der Fett-Oxidation
4.3 Kognitive Funktionen und BDNF
Durch körperliche Aktivität kommt es zu einer Hochregulierung in der BDNF-Konzentration im Hypothalamus. Auf Grund der positiven Wirkung von BDNF auf das Langzeitgedächtnis kann somit folgende Verbindung hergestellt werden: Durch körperliche Aktivität können kognitive Funktionen erhalten bzw. verbessert werden (1).
Quellen
1 Cunha C, Brambilla R, Thomas KL. A simple role for BDNF in learning and memory? Front Mol Neurosci 2010; 3: 1-14
2 Trajkovska V, Marcussen AB, Vinberg M, Hartvig P, Aznar S, Knudsen GM. Measurements of brain-derived neurotrophic factor: methodological aspects and demographical data. Brain Res Bull 2007; 73: 143-149.
3 Lommatzsch M, Zingler D, Schuhbaeck K, et al. The impact of age, weight and gender on BDNF levels in human platelets and plasma. Neurobiol Aging 2005; 26: 115-123.
4 Kerschensteiner M, Gallmeier E, Behrens L, et al. Activated human T cells, B cells, and monocytes produce brain- derived neurotrophic factor in vitro and in inflammatory brain lesions: aneuroprotective role of inflammation? J Exp Med 1999; 189: 865-870.
5 Matthews VB, Astrom MB, Chan MH, et al. Brain-derived neurotrophic factor is produced by skeletal muscle cells in response to contraction and enhances fat oxidation via activation of AMP-activated protein kinase. Diabetologia 2009; 52: 1409-1418.
6 Karege F, Schwald M, Cisse M. Postnatal developmental profile of brain-derived neurotrophic factor in rat brain and platelets. Neurosci Lett 2002; 328: 261-264.
7 Aydemir O, Deveci A, Taskin OE, Taneli F, Esen-Danaci A. Serum brain-derived neurotrophic factor level in dysthymia: a comparative study with major depressive disorder. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 2007; 31: 1023-1026.
8 Yoshimura R, Mitoma M, Sugita A, et al. Effects of paroxetine or milnacipran on serum brain-derived neurotrophic factor in depressed patients. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 2007; 31: 1034- 1037.
9 Gold SM, Schulz KH, Hartmann S, et al. Basal serum levels and reactivity of nerve growth factor and brain- derived neurotrophic factor to standardized acute exercise in multiple sclerosis and controls. J Neuroimmunol 2003; 138: 99-105.
10 Rojas Vega S, Struder HK, Vera Wahrmann B, Schmidt A, Bloch W, Hollmann W. Acute BDNF and cortisol response to low intensity exercise and following ramp incremental exercise to exhaustion in humans. Brain Res 2006; 1121: 59-65.
11 Ferris LT, Williams JS, Shen CL. The effect of acute exercise on serum brain-derived neurotrophic factor levels and cognitive function. Med Sci Sports Exerc 2007; 39: 728-734.
12 Winter B, Breitenstein C, Mooren FC, et al. High impact running improves learning. Neurobiol Learn Mem 2007; 87: 597-609.
13 Yarrow JF, White LJ, McCoy SC, Borst SE. Training augments resistance exercise induced elevation of circulating brain derived neurotrophic factor (BDNF). Neurosci Lett 2010; 479: 161-165.
14 Duman CH, Schlesinger L, Russell DS, Duman RS. Voluntary exercise produces antidepressant and anxiolytic behavioral effects in mice. Brain Res 2008; 1199: 148-158.
15 Currie J, Ramsbottom R, Ludlow H, Nevill A, Gilder M. Cardio-respiratory fitness, habitual physical activity and serum brain derived neurotrophic factor (BDNF) in men and women. Neurosci Lett 2009: 451: 152–155.
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