Beim exzentrischen Krafttraining wird die exzentrische Phase – also die Phase in der sich der Muskel verlängert – ausgenutzt. Prinzipiell kann man zwischen einem submaximalen und einem supramaximalen exzentrischen Krafttraining unterscheiden.
Historische Entwicklung
In den letzten Jahren wurde das Thema des exzentrischen Trainings vor allem in den Bereichen Therapie und Prävention immer wichtiger. Viele positive Ergebnisse konnten durch exzentrisches Krafttraining nachgewiesen werden, zum Beispiel in der Rehabilitation von Achilles-Tendinopathien, aber auch in der Prävention und Rehabilitation von Muskelverletzungen in der hinteren Oberschenkelmuskulatur.
Physiologischer Hintergrund
Bei einer exzentrischen Kontraktion kommt es zu einer Verlängerung der seriell und parallel elastischen Komponenten des Muskels bzw. zu einem Dehnungsreflex. Dieser Dehnungsreflex wird durch die Muskelspindel ausgelöst. Nach exzentrischem Krafttraining zeigen die seriell elastischen Komponenten des Muskels eine erhöhte Stiffness (Fähigkeit, einer Dehnung zu widerstehen) (1).
Training mit supramaximalen Lasten
Beim exzentrischen Krafttraining kommen oft supramaximale Lasten zum Einsatz. Eine supramaximale Last übersteigt die Last, die der isometrischen Maximalkraft entspricht.
Beispiel: Eine Person schafft beim Bankdrücken 100kg. Dies stellt das Einer-Wiederholungs-Maximum (1-RM) dieser Person dar. Vereinfacht sagen wir, dass dies auch die isometrische Maximalkraft der Person ist (genau genommen kann die isometrische Maximalkraft nur gegen einen unüberwindbaren Widerstand aufgebracht werden). Beim exzentrischen Krafttraining kommt nun eine supramaximale Last (z.B. 110kg) zum Einsatz. Dabei wird im Training nur die exzentrische Phase betont, die konzentrische Phase wird durch Hilfe von außen unterstützt durchgeführt.
Anpassungen durch exzentrisches Krafttraining
Durch ein kurzfristiges exzentrisches Krafttraining mit supramaximalen Lasten werden lediglich neuronale Anpassungen provoziert. Bei einem herkömmlich Krafttraining, so einige Autoren, ist jedoch die exzentrisch Phase mit submaximalen Lasten sehr wichtig um eine Muskelhypertrophie auszulösen (2,3,4).
Die Faktenlage im Hinblick auf die Effekte von exzentrischem Krafttraining ist teils kontrovers. Trotzdem soll hier in Anlehnung an Douglas et al. (2016) ein Überblick über die Effekte dieser Trainingsmethode gegeben werden:
- Erhöhte Anpassungen der Maximalkraft, welche jedoch sehr modusspezifisch sind
- Deutlichere Verbesserungen der Schnellkraft und des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ; Stretch-Shortening-Cycle; SSC) im Vergleich zu konzentrischem Training
- Mindestens gleiche Erhöhung des Muskelquerschnitts im Vergleich zu anderen Trainingsmodalitäten
- Erhöhung der Muskellänge (Serielle Vermehrung von Sarkomeren)
- Vorzugsweise Erhöhung der Fläche von Typ II Muskelfasern
- Effekt auf die Umwandlung des Muskelfasertypus
- Qualitative Anpassungen (Verbesserung) des Sehnengewebes
- Quantitative Anpassungen (Vermehrung) des Sehnengewebes
Abbildung 1 nach Lindstedt et al. (2001): Effekte von exzentrischem Krafttraining
Bedeutung in der Trainingstherapie
In exzentrischen Situationen produzieren Muskeln mehr Kraft bei weniger Aufwand. Die Sauerstoffaufnahme ist bei exzentrischen Krafteinsätzen geringer als bei konzentrischen (6). Dieser Vorteil lässt sich sehr gut für Rehabilitations-Zwecke verwenden. Bei älteren Personen oder bei Patienten mit Einschränkungen in der Sauerstoffzufuhr bzw. Sauerstoffaufnahme (z.B. COPD, Herzinfarkt) sind oft keine intensiven körperlichen Tätigkeiten möglich, welche jedoch beispielsweise zur Sarkopenie-Prävention nötig wären. Hier eignet sich exzentrisches Training, denn es können bei geringem Sauerstoffverbrauch hohe Muskelkräfte realisiert werden (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2 in Anlehnung an Bigland-Ritchie et al. (1976): Bei gleicher Sauerstoffaufnahme kann in exzentrischen Situationen mehr Kraft entwickelt werden als in konzentrischen.
Quellen
1 Cornu, C., Lambertz, D., & Goubel, F. (1999). Changes in muscle and joint stiffness induced by plyometric training. Science et motricité, (38-39), 87-88.
2 Higbie, E. J., Cureton, K. J., Warren, G. L., & Prior, B. M. (1996). Effects of concentric and eccentric training on muscle strength, cross-sectional area, and neural activation. Journal of Applied Physiology, 81(5), 2173-2181.
3 O’hagan, F. T., Sale, D. G., Macdougall, J. D., & Garner, S. H. (1995). Comparative effectiveness of accommodating and weight resistance training modes. Medicine and science in sports and exercise, 27(8), 1210-1219.
4 Seger, J. Y., Arvidsson, B., Thorstensson, A., & Seger, J. Y. (1998). Specific effects of eccentric and concentric training on muscle strength and morphology in humans. European journal of applied physiology and occupational physiology, 79(1), 49-57.
5 Douglas, J., Pearson, S., Ross, A., & McGuigan, M. (2016). Chronic Adaptations to Eccentric Training: A Systematic Review. Sports Medicine, 1-25.
6 Bigland-Ritchie B and Woods JJ. Integrated electromyogram and oxygen uptake during positive and negative work. J Physiol (Lond) 260: 267–277, 1976
7 Lindstedt, S. L., LaStayo, P. C., & Reich, T. E. (2001). When active muscles lengthen: properties and consequences of eccentric contractions. Physiology, 16(6), 256-261.
8 Wirth, K., Keiner, M., Szilvas, E., Hartmann, H., & Sander, A. (2015). Effects of eccentric strength training on different maximal strength and speed-strength parameters of the lower extremity. The Journal of Strength & Conditioning Research, 29(7), 1837-1845.