1. Das ATP-PCr System – Kurzzeitsystem
Schnelle, hochintensive Bewegungen wie zum Beispiel ein Gewicht in die Höhe strecken oder ein 100m-Sprint benötigen eine schnell verfügbare Energiequelle. Dafür zuständig sind fast ausschließlich die im Muskel gespeicherten energiereichen Phosphate Adenosintriphosphat (ATP) sowie Phosphocreatin (PCr). In jedem Kilogramm Muskel befinden sich in etwa 5mmol ATP und 15 mmol PCr. Die benötigte Energie bei einem Sprint bei maximaler Intensität könnte bei einer normal trainierten Person ca. 7-8 Sekunden über die energiereichen Phosphate gedeckt werden. Dies macht ersichtlich, dass die Menge an intramuskulär gespeicherten energiereichen Phosphaten mit der Fähigkeit, hochintensive Belastungen über einen kurzen Zeitraum durchführen zu können, zusammenhängt. Das Enzym Creatin-Kinase (CK) löst die PCr Hydrolyse aus wodurch ATP resynthetisiert wird. Für länger andauernde Belastungen wird der Pool an energiereichen Phosphaten über die Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette und Proteine) aufgefüllt.
2. Das Laktat-System
Wenn die Belastungsdauer ansteigt müssen energiereiche Phosphate über die Dauer von wenigen Sekunden hinaus resynthetisiert werden. Bei intensiven Beanspruchungen erfolgt die Resynthetisierung über intramuskulär gespeicherte Glykogene. Bei diesem Vorgang, den man anaerobe Glykolyse nennt, wird ADP über Glykogene zu ATP resynthetisiert, wobei Laktat entsteht. Da in diesem Prozess kein Sauerstoff vorhanden ist können die entstandenen Wasserstoffionen nicht oxidiert werden, aus Pyruvat wird Laktat. Über diesen Weg wird Energie zum Beispiel im letzten Teil des 100m Sprints oder beim 100m Schwimmen zur Verfügung gestellt. Bei Belastungen dieser Art benötigt der Körper schnell energiereiche Phosphate, weshalb die anaerobe Glykolyse in solchen Sportarten leistungsbestimmend ist. Sinkt die Intensität der Belastung ab fällt auch der Blutlaktatspiegel.
Blutlaktatakkumulation
Laktat entsteht auch unter Ruhebedingungen. Nur wird das Laktat dann problemlos vom Herzmuskel oder anderen nichtaktiven Teilen des Muskelsystems abgebaut. Erst wenn der Laktatabbau nicht mehr im Gleichgewicht mit der Laktatproduktion steht steigt der Blutlaktatspiegel an.
Durch aerobes Training kommt es zu zellulären Adaptionen wodurch die Laktatabbaurate steigt, folglich kommt es erst bei höheren Intensitäten zu einer Laktatakkumulation.
Bei niedrigen und moderaten Belastungen wird das produzierte Laktat sowohl beim trainierten als auch beim untrainierten Athleten in nichtaktivem Gewebe oxidiert und das Blutlaktatlevel bleibt stabil (netto keine Blutlaktatakkumulation).
Bei ca 55% der VO2max in untrainierten Personen steigt das Blutlaktat exponentiell an. Im Muskel entsteht ein Sauerstoffdefizit, der Körper kann die Energie nicht mehr auf aeroben Wege bereitstellen und muss auf das System der anaeroben Glykolyse zurückgreifen. Dadurch entsteht, wie oben beschrieben, Laktat. Der Punkt an dem eine Laktatanhäufung stattfindet bezeichnet man als erste Blutlaktatschwelle (engl. blood lactate threshold).
Bei trainierten (Ausdauer)Athleten beginnt die Laktatakkumulation bei einem höheren Prozentsatz der VO2max. Dies kann folgende Gründe haben:
- Genetische Ausprägung der Muskelfasern ist anders
- Muskuläre Adaptionen mit einer höheren Laktatabbaurate
- erhöhte Kapillardichte
- erhöhte Mitochondriengröße- und Anzahl
- vermehrte Enzyme der aeroeben Energiebereitstellung, was zu einer erhöhten Fähigkeit führt, ATP auf aerobem Wege (vor allem über Fette), bereitzustellen
Diese Adaptionen führen dazu, dass die Belastungszeit vor einer Laktatakkumulation verlängert werden kann. Weltklasse-Athleten halten Belastungen bei 85-90% VO2max aufrecht bevor Blutlaktat akkumuliert.
Laktatproduktionskapazität
Durch spezielles Sprint- und Krafttraining erhöht sich die Fähigkeit des Körpers hohen Menge an Laktat zu erzeugen. Gute „anaeroeb trainierte“ Athleten erzeugen bei der gleichen kurzen und intensiven Belastung 20-30% mehr Laktat als untrainierte Athleten. Durch spezielles Training erhöht sich außerdem der intramuskuläre Glykogenspeicher, wodurch die Energie über die anaerobe Glykolyse länger bereitgestellt werden kann. Dies ist ein Vorteil da die Leistung abnimmt sobald die Energie hauptsächlich über aerobe Energiebereitstellungsprozesse erfolgt. Ein weiterer Punkt ist die durch spezielles Training induzierte Erhöhung (bis ca. 20%) von glykolytischen Enzymen (vor allem Phosphofructokinase).
Blutlaktat als Energiequelle
Blutlaktat fungiert als Substrat für die Wiedergewinnung von Glucose, der sogenannten Gluconeogenese. Zudem kann es auch als direkter Treibstoff von aktiven Muskeln zur Kontraktion verwendet werden. Das in Fast-Twitch-Fasern (FT-Fasern) produzierte Laktat kann zu anderen FT-Fasern oder Slow-Twitch-Fasern (ST-Fasern) transportiert werden. Dort angekommen wird es zu Pyruvat reduziert, welches zu Acetyl-CoA konvertiert und in den Zitratzyklus (und somit in den aeroben Stoffwechsel) gelangt. Diese Laktat-Shuttle zeigen, dass der Muskel nicht nur Hauptproduktionsort sondern auch ein Haupteliminationsort für Laktat ist. Nicht nur der Muskel, auch die Leber generiert aus dem Laktat im Blutstrom Glucose. Aus Laktat produzierte Glucose gelangt entweder über den Blutstrom zum Skelettmuskel und wird dort als Energiesubstrat verwertet, oder es wird zu Glykogen synthetisiert und gespeichert. Die beschriebenen Mechanismen machen eindeutig klar, dass Laktat kein Abfallprodukt ist, sondern eine wertvolle Energiequelle.
3. Das aerobe System – Langzeitsystem
Obwohl durch anaerobe Glykolyse schnelle Energie erzeugt wird reichen die Vorräte nicht lange aus, da eine relativ kleine ATP-Menge bereitgestellt wird. Über aerobe Systeme wird ATP in größeren Mengen bereitgestellt, jedoch nicht so schnell (geringere Produktionsrate).
Sauerstoffaufnahme während Belastung
Bei niederintensivem Jogging steigt die Sauerstoffaufnahme (VO2) während der ersten Minuten relativ stark an und erreicht bei 4-6 Minuten ein Plataeu. Über den Rest der Aktivität bleibt die VO2 in Folge relativ stabil, es besteht ein Gleichgewicht zwischen benötigter Energie und aerober ATP-Produktion (steady-state). Unter diesen Bedingungen entsteht keine Netto-Blutlaktatakkumulation, da das produzierte Laktat sofort von Muskeln, Niere und Leber wieder zu Glucose umgewandelt wird. Bei jeder Person ist diese Schwelle unterschiedlich hoch. Untrainierte können nur geringe Geschwindigkeiten ohne Laktatakkumulation laufen gegenüber trainierten Ausdauerathleten, die eine hohe Geschwindigkeit über eine Marathondistanz absolvieren. Um solche Leistungen zu vollbringen muss sichergestellt sein, dass ausreichend Sauerstoff in der Muskulatur ankommt und dort auch entsprechend gut verwertet (in ATP umgewandelt) werden kann.
Sauerstoffdefizit
Wie oben beschrieben erfolgt der Gleichgewichtszustand erst nach ca. 5 Minuten Jogging. Während dieser Phase wird das intramuskuläre ATP bereitgestellt, ohne den Bedarf von Sauerstoff. Als Sauerstoffdefizit bezeichnet man das Defizit an Gesamt-Sauerstoffverbrauch während der Aktivität und der Menge die verbraucht worden wäre, wenn sofort nach Beginn der Belastung ein steady-state eingetreten wäre. Während diesen „Sauerstoffdefizitphasen“ erfolgt die Energiebereitstellung über den Weg der anaeroben Glykolyse.
Je größer das Sauerstoffdefizit (in Litern) ausfällt, desto höher ist die Blutlaktatkonzentration und der ATP-PCr Abbau im Muskel.
Sauerstoffdefizit in trainierten und untrainierten Individuen
Im Vergleich zwischen einer trainierten und einer untrainierten Person bei leichten bis moderaten Ausdauerbelastungen sieht man, dass beide ähnlich hohe Werte für die steady-rate haben. Der Unterschied besteht in der Zeit bis zum Erreichen der steady-rate: Der trainierte Athlet erreicht den Punkt schneller als der untrainierte, wonach sein Sauerstoffdefizit geringer ist. Dies spricht für einen höheren Sauerstoffverbrauch während der Aktivität und eine geringere Entleerung der energiereichen Phosphatspeicher. Die Erklärung dafür ist die Tatsache, dass der trainierte Sportler schneller ATP über den aeroeben Weg bereitstellen kann als der untrainierte.
Fazit
Der Körper kennt verschiedene Wege Energie bereitzustellen. Je nach Intensität, Art und Dauer der Aktivität greift er auf unterschiedliche Mechanismen zurück. Für kurze, schnelle Bewegungen ist das ATP-CPr System und mit zunehmender Dauer die anaerobe Glykolyse von Bedeutung. Steigt die Dauer weiter an spielt das aerobe System eine zunehmend wichtige Rolle. Dabei ist festzuhalten, dass die einzelnen Energiebereitstellungs-System nicht seriell, also getrennt von einander ablaufen sondern immer überlappend mit dem Schwerpunkt in die eine oder andere Richtung stattfinden.
Quelle: McArdle, W., Katch, K. & Katch,V. (2006). Advanced Exercise Physiology. Lippincott Williams & Wilcons: Baltimore.
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